In diesem Blogbeitrag informieren wir über den Stand des Bundesteilhabegesetzes im Jahr 2019. Wir aktualisieren unsere Blogbeiträge zum Bundesteilhabegesetz regelmäßig, um alle wichtigen Informationen für Sie gebündelt darzustellen.
Verabschiedet wurde das Bundesteilhabegesetz bereits im Jahr 2016. Seitdem sind zwei der vier geplanten Reformstufen bereits in Kraft getreten. Sie finden unseren Blogbeitrag zu den einzelnen Reformstufen hier: Die vier Reformstufen des BTHG.
Unter anderem wurden seit 2017 höhere Freibeträge für Einkommen und Vermögen sowie das Gesamtplanverfahren eingeführt, das auch die Bedarfsermittlung in Anlehnung an die ICF beinhaltet. Im Folgenden können Sie die wichtigsten Neuerungen noch einmal nachlesen.
Das BTHG liefert eine reformierte Version des Behinderungsbegriffes: „Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können“ (§ 2 Abs. 1 SGB IX).
Dieser Behinderungsbegriff orientiert sich am bio-psycho-sozialen Modell der ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health). Eine funktionale Beeinträchtigung einer Person wird damit nicht mehr als Eigenschaft oder Defizit begriffen, sondern soll im Zusammenspiel mit den Wünschen und Interessen der betroffenen Person sowie ihren Kontextfaktoren betrachtet werden. Nicht mehr die Behinderung als solche, sondern das Ziel der Teilhabe steht im Vordergrund.
Wie der Name schon vermuten lässt, soll das BTHG Menschen mit Behinderung die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erleichtern. Die neue Personenzentrierung im BTHG soll dafür sorgen, dass nicht mehr über die Köpfe der Betroffenen hinweg, sondern im Gegenteil mit ihnen zusammen darüber beraten wird, welche Unterstützung sie für ihre individuelle Lebensplanung benötigen. Menschen mit Behinderung sollen von Anfang über ihre Möglichkeiten beraten werden und in den gesamten Prozess der Leistungsfeststellung, Leistungsplanung und Leistungsumsetzung eingebunden sein.
Die Träger der Eingliederungshilfe müssen seit dem 01.01.2018 laut BTHG ein Gesamtplanverfahren durchführen, in dessen Rahmen die notwendigen, unterstützenden Leistungen einerseits ermittelt und andererseits auch geplant, gesteuert und dokumentiert werden sollen. Eine regelmäßige Wirkungsüberprüfung ist ebenfalls Teil des Verfahrens.
Mithilfe des Gesamtplanverfahrens soll sichergestellt werden, dass der Mensch im Mittelpunkt steht: Der Leistungsberechtigte darf und soll seine Vorstellungen äußern und ist aktiv an der Leistungsplanung beteiligt.
Im Vorfeld des Verfahrens kann sich der Leistungsberechtigte beraten lassen – dabei soll auch das sogenannte Peer Counseling, nämlich die Beratung von Menschen mit Behinderung durch Menschen mit Behinderung, möglich gemacht werden. Nach der Bekanntgabe des Bedarfs erfolgt die Bedarfsermittlung mithilfe eines an der ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) orientierten Instruments. In einer Gesamtplankonferenz werden Erkenntnisse bezüglich der Bedarfe gewonnen, die als Grundlage für die Leistungsfeststellung dienen. Schließlich wird ein schriftlicher Gesamtplan erstellt, auf dessen Grundlage dann auch ein Leistungsbescheid erfolgt.
Da die Bedarfsermittlung sich laut BTHG an der ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) orientieren muss, fallen viele Bedarfsermittlungsinstrumente, die jahrelang angewandt wurden, weg – beispielsweise das Metzler-Verfahren. Die Festlegung eines neuen, passenden Instruments muss laut BTHG durch die Landesregierungen erfolgen.
Inzwischen hat die Mehrheit der Bundesländer ein Instrument festgelegt oder befasst sich zumindest mit der Erarbeitung oder Erprobung eines Instruments. Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen setzen auf den ITP, den Integrierten Teilhabeplan. Baden-Württemberg (BEI_BW), Berlin (TIB), Niedersachsen (B.E.Ni) und Nordrhein-Westfalen (BEI_NRW) haben eigene Instrumente entwickelt. Bayern, Brandenburg, Bremen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein sind derzeit noch mit der Erarbeitung eines geeigneten Instruments beschäftigt.
Ausführlichere Informationen zu den Bedarfsermittlungsinstrumenten der einzelnen Bundesländer finden Sie in diesem Blogbeitrag: Bedarfsermittlungsinstrumente der einzelnen Bundesländer.
Seit dem 01.01.2018 müssen die Träger der Eingliederungshilfe zur Ermittlung der notwendigen Leistungen das sogenannte Gesamtplanverfahren durchführen. Die jeweiligen Träger der Eingliederungshilfe können von den einzelnen Landesregierungen individuell festgelegt werden. Ausführliche Informationen zu den Trägern der Eingliederungshilfe finden Sie hier: Eingliederungshilfeträger in den einzelnen Bundesländern.
Die Einkommens- und Vermögensgrenzen werden im Rahmen der Umsetzung des BTHG schrittweise erhöht. Die erste Erhöhung fand bereits 2017 statt: Der Einkommensfreibetrag wurde um bis zu 260 Euro monatlich sowie der Vermögensfreibetrag um 25.000 Euro erhöht. Auch der Schonbetrag für Barvermögen wurde erhöht: von 2600 Euro auf 5000 Euro.
Bevor das Gesetz 2016 verabschiedet wurde, äußerten viele Menschen Kritik am Gesetzesentwurf. Vielfach wurde ein Mehraufwand an Bürokratie befürchtet, den das Gesetz eigentlich verringern sollte. Außerdem wurde bezweifelt, dass die Selbstbestimmungsmöglichkeiten von Leistungsberechtigten durch das BTHG tatsächlich ausgebaut würden. Auch zwei Jahre nach der Verabschiedung gibt es noch kritische Stimmen.
Am 23.11.2018 stellten die Grünen im Bundestag einen Antrag auf Nachbesserung des Bundesteilhabegesetzes. Sie kritisierten, dass das BTHG „dem Anspruch, Menschen mit Behinderungen aus dem System der Sozialhilfe herauszuführen und die Vorschriften über die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht umzugestalten, nicht gerecht [werde]“ (zur Pressemitteilung).
Der Bundesverband Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen (ForseA) kritisiert das BTHG in einem Beitrag zum Jahreswechsel 2018/2019 und erklärt, dass man mit Bürgerinnen und Bürgern mit Behinderung nicht so umgehen dürfe, wie die Regierung es mit der Einführung des BTHG getan habe (zum Beitrag).
In diesem Blogbeitrag kann die Kritik am Bundesteilhabegesetz nicht erschöpfend behandelt werden. Die genannten exemplarischen Beispiele sollen nur verdeutlichen, dass das Bundesteilhabegesetz auch im Jahr 2018 nicht unumstritten war. Es wird sich zeigen, ob die kritischen Stimmen im Jahr 2019 Einfluss auf die weitere Umsetzung des Gesetzes haben werden.
Im Jahr 2019 wird keine weitere Reformstufe des BTHG in Kraft treten. Die dritte Reformstufe soll erst im Januar 2020 wirksam werden. Das Jahr 2019 wird vor allem genutzt werden, um Neuerungen zu erproben und Vorbereitungen bezüglich der Trennung der Fachleistungen von den existenzsichernden Leistungen zu treffen, die 2020 erfolgen soll.
Wie oben beschrieben, haben sich inzwischen die meisten Bundesländer für ein Bedarfsermittlungsinstrument entschieden. Das Berliner Bedarfsermittlungsinstrument TIB (Teilhabeinstrument Berlin) soll 2019 erprobt werden, während BEI_BW nächstes Jahr bereits landesweit eingeführt werden soll. Insofern wird 2019, obgleich keine neue Reformstufe in Kraft treten wird, viele neue Erkenntnisse in Bezug auf die praktische Umsetzung des BTHG bringen.
Auch die Schaffung von Beratungsangeboten (vor allem von Beratungsstellen von Betroffenen für Betroffene) wird im Jahr 2019 weiterhin Thema sein. Eine Übersicht über die bereits in Deutschland vorhandenen Beratungsangebote der „Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung“ (EUTB) finden Sie hier: Beratungsangebote. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat außerdem eine Förderrichtlinie zu diesem Thema veröffentlicht: gemeinsam-einfach-machen.de. Die Beratungsstellen sollen bis zum 31. Dezember 2022 gefördert werden.
2020 wird das Recht der Eingliederungshilfe aus dem SGB XII (Sozialhilfe) herausgelöst und als zweiter Teil ins SGB IX-neu aufgenommen. Angestrebt wird die Trennung der Eingliederungshilfe von den existenzsichernden Leistungen. Das bedeutet, dass die Eingliederungshilfe nur noch für Fachleistungen wie etwa Assistenzleistungen oder Hilfsmittel zuständig ist. Existenzsichernde Leistungen, zu denen etwa Lebensunterhalts- oder Unterkunftskosten zählen, werden von der Sozialhilfe (SGB XII) oder der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) übernommen.
2020 wird es eine außerdem eine zweite Erhöhung der Einkommens- und Vermögensgrenzen geben, im Rahmen derer der Vermögensfreibetrag auf 50.000 Euro steigt. Eine weitere wichtige Neuerung ist, dass das Partnereinkommen bzw. Partnervermögen nicht mehr herangezogen wird.
Die Bundesländer sind momentan dabei, Landesrahmenverträge zum Bundesteilhabegesetz zu verabschieden. Mitte 2019 haben jedoch erst verhältnismäßig wenige Bundesländer einen Landesrahmenvertrag oder eine Übergangsregelung verabschiedet. Nähere Informationen zu den Bundesländern, die bereits einen Vertrag verabschiedet haben, finden Sie hier: Landesrahmenverträge der einzelnen Bundesländer.
Als Softwarehaus für soziale Einrichtungen ist es uns ein Anliegen, Sie über das Bundesteilhabegesetz zu informieren. Aktuelle Informationen finden Sie in unserem Blog unter dem Stichwort „BTHG“ oder in unserer Tag-Liste unter den Tags „BTHG“ und „Bundesteilhabegesetz“.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (kurz BMAS) erklärt das Bundesteilhabegesetz in leichter Sprache. Um zu dieser Version weitergeleitet zu werden, klicken Sie bitte auf den folgenden Link: Bundesteilhabegesetz in leichter Sprache.
Auf der Seite https://umsetzungsbegleitung-bthg.de/ wird über alle Fortschritte im Rahmen der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes informiert. Neben Antworten auf aktuelle Fragen finden sich hier auch Informationen zum Umsetzungsstand in den einzelnen Bundesländern sowie Rückblicke auf Veranstaltungen zum BTHG. Gefördert wird das Projekt durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
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